Vom Flughafen kommend, Abfahrt 12, Richtung Pena, den Wagen den Berg runterrollen lassen, und man bekommt den ersten Eindruck von der Freguesia Santa Luzia in ihrer Ausrichtung von Nord nach Süd. Ein paar Wegmarken, die direkt vor der Haustür liegen, das Instituto de Segurança Social (Sozialversicherung), Centro de Saúde do Bom Jesus, Escola Secundária Francisco Franco, Museu Henrique e Francisco Franco. Hier, kurz vor dem Praço do Carmo ist auch die südliche Grenze der Freguesia, die im Osten an der Ribeira do João Gomes endet. Was uns ausgerechnet hierher verschlagen hat, ist kurz erklärt. Alle Wege innerhalb der Stadt sind überschaubar kurz, 5 Min zu Fuß zur Jesuitenkirche, 7 Min zur Sé, 7 Min zur Markthalle. Dazu das Wohnen mit unverbaubarer Aussicht auf Meer und Stadt im historisch interessanten ersten Hochhaus von Funchal, erbaut vom Architekten RAÚL CHORÃO RAMALHO, der die oben erwähnte Sozialversicherung mit Gesundheitszentrum und Wohnturm in den frühen Sechziger Jahren entworfen hatte.
Architekt Ramalho, (1914-2002) hat auf Madeira etwa 50 Bauwerke entworfen, die auch das Stadtbild von Funchal prägen, so der Mercado dos Lavradores, Banco de Portugal, Correios do Funchal, Assembleia Legislativa Regional, Liceu Jaime Moniz. Aber auch Zweckbauten wie Central Hidroeléctrica da Ribeira da Janela und Central Hidroeléctrica da Fajã da Nogueira, Hotels (Quinta do Sol) oder die Kirche Imaculado Coração de Maria.
Zurück zum Wohnturm, der für damalige Verhältnisse großzügigen Wohnraum bot (je Etage, ca. 60, 90 und 100 qm) und 31 Parteien beherbergt. Irgendwann wurden die Wohnungen in Eigentum umgewandelt und wie es aussieht, wohnen noch immer einige der Erstbewohner dort. Baulich lässt sich nur anmerken, die Decken sind so dünn, dass eine Badrenovierung den Blick in die darunterliegende Wohnung bot, der Bohrer ging glatt durch. Und dass der berühmte Architekt nicht selbst Fenster geputzt hat, lässt deren Konstruktion vermuten. Auf 8m Fensterfront gibt es Flügel-, Schiebe- und Klappfenster und unbeweglcihe Elemente, die teilweise wegen angebauter Sonnenlamellen gar nicht geputzt werden können. Nach 57 Jahren war auch wegen verzogener Rahmen und unerwünschter Frischluftzufuhr ein Fensterwechsel fällig.
Geht man hier ein paar Wochen am Stück ein und aus, wird man beim Bäcker und Minimarkt sowie auf den täglichen Wegen in die Stadt erkannt und freundlich gegrüßt. Die Grundversorgung liegt vor der Tür, dazu viele kleine Cafés, eine Kleinigkeit zum Mittagstisch gibt es auch. Woran es wirklich mangelt, sind Parkplätze, da wird das Heimkommen eine Suchfahrt, die manchmal halblegal am Straßenrand endet oder man erlebt als eingeklemmter legaler Parker am nächsten Tag Verdruss. Als Fußgänger braucht es nur stramme Waden und man entdeckt in Santa Luzia Orte der Entspannung, so den gleichnamigen Park, der um eine ehemalige Zuckerfabrik angelegt wurde (Ecke Rua 31 de Janeiro/ Rua do Til). Der restaurierte Schornstein ist weithin sichtbar, im Park gibt es neben weitläufigem Rasen und Gartenanlagen auch ein Café, das sogar am 25.12. öffnet.
Wenn man es gerne etwas wärmer mag, dazu einige Tage mit Schwüle erträgt, erlebt man im Juli/ August eine veränderte Stadt. In den Supermärkten trifft man plötzlich auf 4-köpfige französische Familien, die mit den Teenagern lange beratend vor den Regalen stehen. Die Plätze in den Cafés, die die Schüler sonst in den Pausen belegen, nutzen nun die Einheimischen und Feriengäste. Auch im Hafen und auf den Flaniermeilen ist es ruhiger, denn die Kreuzfahrtschiffe fahren zwischen Mai und September auf nördlicheren Routen.
Wer vom Zentrum aus Baden gehen will, sucht sich ein Plätzchen am Fuße der Festung (Forte de São Tiago) oder geht wie ich zum Schwimmbad Praia da Barreirinha. Letzteres ist ein Fußweg von 15 Min, den ich am liebsten passend zur Öffnung des Bades (9:00) beginne. Über die Rua de Jão de Deus, vorbei am Museu do Bordado, überquert man den Fluss und trifft im Jardim do Campo da Barca zu dieser frühen Stunde die nächtlichen Hüter der Parkbänke. Am Fuße des Parks fällt ein Transporter mit offener Seitentür auf, der hier täglich Methadon abgibt. Eine kurze Nachfrage ergibt, dass das Heroin weniger Sorgen bereitet, denn Substitution wird gut angenommen, sondern die vielen synthetischen Drogen, die teils zu eskalierendem Verhalten auf der Straße führen.
Die Polizeistation hinter mir lassend, Richtung Escola Jaime Moniz gibt es eine „Katzenfütterstation“, auf den Mauern verfallender Häuser werden morgens Futter und Wasser fürsorglich hingestellt und finden viele Gäste. Bald biege ich in die Rua Santa Maria ein, etwa auf Höhe der Padaria Pastelaria Mariazinha, eine beliebte Adresse für den ersten und letzten Kaffee des Tages, die Lieferwagen werden beladen, um die Backwaren in der Stadt zu verteilen. Um diese Zeit ist die Rua Santa Maria eine stille Oase, noch ist Raum für ein Foto der bemalten Türen, vor denen gefegt oder ein Pläuschchen gehalten wird.
Weiter zum Schwimmbad, das erst sichtbar wird, wenn man an die steile Ufermauer herantritt. Viele Stufen führen zum Einlass hinunter, dann fix die 5er-Karte (ein erheblicher Preisvorteil) in die Schranke gesteckt, die Sachen verstaut und schon bereit fürs morgendliche Bad. Die Frühschwimmer kennen sich, nach dreimaligem Besuch werde ich gegrüßt und kann die Badekappen der Damen auseinander halten. Es gibt hier keine Schwimmbecken, sondern 2 Einstiege ins Meer, je nach Tide muss man an langen Leitern wieder hinausklettern, aber die Madeirenser zeigen, dass das auch im Alter kein Problem ist. Die Badestelle ist durch Schwimmkörper markiert, im Sommer gibt es als Schwimmziel einen Ponton und man ist bestens beschützt durch aufmerksame SchwimmmeisterInnen. Das felsige Ufer fällt steil ab und mit Schnorchelbrille sieht man eine Menge Fische. Wer mag, verbringt den Tag hier, Liegen kann man mieten oder man richtet sich auf den Betonflächen ein. Was die Snackbar bietet kann ich nicht sagen, denn ich ziehe ein paar Bahnen und bin fix weg. Wenn ich Glück habe, ist die Bar oberhalb des Bades schon geöfffnet und bei bester Aussicht genieße ich einen Chá Hortela (Tee mit ganz viel frischer Minze). Besser kann ein Sommertag in Funchal nicht beginnen!
@Vogel Wunderschöne Beschreibungen deiner Umgebung und des alltäglichen Lebensgefühls. Ich freue mich jedes Mal über die Fortsetzung. Vielen Dank dafür, Zorro.
Mindestens einmal am Tag führt mein Weg über diesen Platz, auf dem tagsüber das Leben brodelt. Enge Zugänge, von Norden über die Rua da Conceição oder von Süden vom Continente/Modelo ausgehend, lassen den Fremden eher zufällig hierher gelangen. Es gibt kleine Geschäfte, aber der Platz wird von Außengastronomie geprägt und schon am Morgen hat das Café „A Confeitaria“ Frühstücksgäste. Bei den Schülern, die zur Mittagspause zahlreich auf den Platz strömen, sind hausgemachte Limonaden beliebt, deren Trinkhalm eine hohle Nudel ist, aber auch feine Konditoreiwaren gehören zum Angebot. Einzig die gierigen Tauben stören den Genuss, sie stürzen sich auf die Tische, sobald die Gäste sich erheben.
Im Sommer ist es auch abends belebt, ohne Verkehrslärm und windgeschützt lässt es sich beim Essen und Trinken gut aushalten. Doch nachts oder in den frühen Abendstunden des Winters, wenn die Tische zusammengebunden und verlassen dastehen, wandelt sich dieser Platz zum Treffpunkt der Obdachlosen, die unter den Arkaden übernachten.
Am südlichen Ende des Platzes trifft man auf die Igreja do Carmo, erbaut um 1660, von außen unscheinbar, aber über die Jahrhunderte ausgestattet mit vergoldeten Holzschnitzereien und Kacheln aus dem 18.Jahrhundert. In dieser Kirche fand am 17.2.19 der Robenwechsel des angehenden Bischofs von Funchal statt (D. NUNO BRÁS DA SILVA MARTINS), bevor er in der Sé zum Bischof geweiht wurde.
In Funchal gibt es kleinste Läden oder Werkstätten, die man durch Zufall entdeckt, oder weil man sich nach einem bestimmten Gewerk oder Artikel länglich durchfragt. In loser Folge stelle ich meine Fundstücke vor.
Der Toaster ist kaputt, der Lampenschalter rastet nicht mehr ein, dann führt der Weg geradewegs zu "Radiolux" (Elektrowaren und Reparatur), Rua do Carmo 24B, nahe Continente. Eigentlich war ich auf der Suche nach einem Elektrokabel, als mein Blick ins obere Regal fiel. Ein etwas geknickter Karton mit deutscher Aufschrift, ein elektrtisches Messer, Stil eindeutig 70er Jahre, der Karton hat schon einen Wasserschaden hinter sich, das ehemals weiße Gerät ist vergilbt. Aus Mitleid habe ich es gekauft, 15€ war mir das Relikt aus einer anderen Zeit wert, hoffentlich taugt es zum Brotschneiden.
Eine Lederbörse, seit Jahren an meinem Gürtel befestigt, löst sich langsam auf, Ersatz muss her, aber es gibt nichts Vergleichbares in den Geschäften. Ebenfalls Rus do Carmo, Ecke Rua das Hortas, ein Lederwarengeschäft mit eigener Werkstatt. Die Börse soll meinem Modell nachgearbeitet werden, ich suche das Leder aus, und nach 3 Tagen ist der Auftrag zur Zufriedenheit erledigt.
Es fehlen 50cm dünner Draht, am Balkon muss etwas befestigt werden, fix zum „Alles für den Handwerker“ Laden, früher nahe des Museums für sakrale Kunst, inzwischen umgezogen in die Rua do Castanheiro, südliches Ende. In diesem Geschäft gibt es alles zwischen Tür und Angel, von Scharnieren zu Gartenscheren, Schrauben, Werkzeug u.v.m. Ich erreiche den Laden kurz vor Feierabend, der Draht wird in Zeitungspapier gewickelt, auf die Frage, was es kostet, werde ich freundlich hinausgewunken mit Wünschen für einen schönen Abend.
Wer ein vielfältiges Sortiment an Papieren, Bürountensilien und Schreibwaren sucht, gehe in die Rua do Bispo, die Papelaria ABC. Für den Künstlerbedarf gibt es in der Parallelstraße R. Queimada Cima 22B die Cartonada Papelaria. Eine Fundgrube an Malerei- und Zeichenbedarf! Papierwaren auch hier, Papelaria Do Colégio, R. Câmara Pestana 18. Ein vorhandener Locher entspricht nicht meiner Vorstellung, Moment, ich möge kurz warten. der Besitzer läuft kurz los, und hat vermutlich vom Nachbargeschäft ein weiteres Modell besorgt, passt.
Im letzten Jahr saß ich bei Madeira Shopping auf der Café Terrasse, als mir die Fahrer auffielen, mit verschiedenen Logos und Umhängetaschen, die dort offenbar Pause machten. Der Name „Glovo“ fiel ins Auge, grüne Schrift auf Gelb, kurze gegoogelt und gesehen, dass es sich um einen Lieferservice handelt, der Essen oder Einkäufe vom Restaurant/Verkäufer zum Kunden liefert. Mit ihren Vespas und Mopeds sausen die Fahrer/innen durch die Stadt, vermutlich ein Niedriglohnjob, aber der Kunde darf ja Trinkgeld geben. Gerade zur Zeit der abendlichen Ausgangssperre ist es ein guter Weg, damit die Restaurants ein Geschäft machen können, denn bis 22 Uhr darf noch ausgeliefert werden.
Da ich gestern nach abendlicher Anreise keine Lust auf Zwieback und Tütensuppe hatte, bewährte sich die vorausschauende Planung, denn ich hatte am Abend zuvor die Glovo App installiert. Eine kurze Übersicht zeigt alle angeschlossenen Restaurants oder Cafés, ungefähre Lieferdauer und den Preis für den Lieferservice. Der Hunger war groß, daher fix durch die Anbieter geblättert und im Barreirinha Bar Café, das oberhalb meines bevorzugten Schwimmbades liegt und eine beliebte Adresse bei Einheimischen und Zugereisten ist, das Essen ausgewählt. Mit Kreditkarte bezahlt, 2 kurze Meldungen, dass jetzt mit der Zubereitung begonnen und wann es dem Fahrer übergeben wurde – und nach 30 Min sah ich vom Balkon aus das Zweirad um die Ecke biegen. Das Essen war lecker (Salat Nicoise, vegetarischer Burger und Burritos, dazu Fritten), bis auf das Dressing alles umweltfreundlich verpackt und damit im Altpapier entsorgbar.
Und ja, es war mein erstes Mal – Essen auf Rädern!
Am frühen Morgen los zu Pingo Doce, um für das Frühstück einzukaufen und den Kühlschrank aufzufüllen. Ich war vorausgegangen, Vogel-Mann sollte nachfolgen, um beim Tragen der Einkäufe zu helfen. Als er bei der Igreja do Carmo die Straße überquert, zwackt ein Hund von hinten ins Bein. Der Hund kam aus dem Nichts und musste mit Kraft abgeschüttelt werden. Kein Halter, keine Ursache erkennbar, rätselhaft. Nach Rückkehr Versorgung der zum Glück oberflächlichen Schrammen mit Jod. Ab jetzt werden die Straßenhunde mit Argusaugen beobachtet.
Beim letzten Stadtgang kurz vor der Sperrzeit, Begegnung Nummer 2, kleine leere Gasse, ein Mann kommt uns entgegen. Er steuert direkt auf uns zu und fragt nach Geld, ich reagiere mit Ausweichen, um nicht in ihn hineinzurennen. Da nähert er sich auf Armlänge und beschimpft uns aufs Derbste. Ist mir auf der Insel in all den Jahren nicht passiert. Ich gebe lieber von meinen Einkäufen etwas ab, als den nächsten Tetrapak Vinho zu finanzieren.
Krass das! Ich hoffe, Dein Impfschutz (Tetanus, Tollwut) ist ok. Man weiß ja nie. Insbesondere mit der Tollwut ist nicht zu spaßen (obwohl ich gar nicht so genau weiß, ob es dass auf der Insel gibt)