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Infos, Tipps und Austausch zu Leben und Urlaub auf Madeira

 


Madeirenser erinnern sich
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20.09.16 15:37
Torwarttrainer 

Madeira-Riesenfingerhut

Re: Madeirenser erinnern sich

Auf Hochzeitsreise 2016

Bom dia

Constanca und Silvester sind in ihrem zweiten Leben angekommen, so beginnt später Eva ihre Erklärung auf meine Frage welchen Eindruck unsere Gäste auf sie machen.
Eva und ich warteten auf sie in der Ankunftshalle im Flughafen in Frankfurt. Erstaunt über die Größe der Anlage waren beide, Constanca war noch nie außerhalb Madeiras und Silvester zuletzt als Soldat in Angola, aber das ist lange her. So erzählte er, während der Autofahrt, kurz über seinen bisher einzigen Aufenthalt im Ausland.
Platz haben unsere Gäste in der kleinen Dachgeschosswohnung genügend, wenn sie aus dem Fenster sehen schauen sie auf den Neckar. Constanca kommt gleich wieder zu uns herunter und sagt begeistert, der Fluss ist für zwei Wochen ein kleiner Ersatz für unser Meer.
Constanca und Silvester haben nach ihrer Vermählung, Mitte Juli, eine Woche zu Hause verbracht, danach zwei Wochen Lissabon um nun bei uns ihre Hochzeitsreise ausklingen zu lassen. Wenn Madeirenser sagen sie waren in Lisboa so meinen sie mit Sicherheit Portugal, das Festland. So erzählen sie von Sintra, o Tejo, o Algarve, Fatima, Porto e Tras-os-Montes, hier hat Silvester noch Verwandtschaft wohnen.
Viel gibt es zu erzählen, heiteres und auch aktuell tragisches und natürlich gemeinsam Erlebtes.
Constanca lernten wir erst in Frankfurt kennen. Sie ist etwas älter als Silvester, seit nahezu zehn Jahren verwitwet, hat erwachsenen Kinder und auch Enkel. Ihr erster Mann war genau wie Silvester bei der Stadtverwaltung in Funchal angestellt.
Silvester, der ewige Junggeselle, verliebte sich in Constanca und sie sich in ihn. Oder umgekehrt? Nun sind beide in einem zweiten Leben angekommen.

Es ist sehr interessant was du hier im Forum schreibst, so erklärt mir Silvester, unser befreundeter Wanderführer aus den siebziger Jahren, seinen Eindruck nach dem er meine Berichte gelesen hat. Da sein Deutsch noch etwas dürftiger ist als mein rumpliges Portugiesisch muss Eva ihm einiges davon erklären.
Er meint noch dazu dass einige Details unserer gemeinsamen Wanderungen, die ich doch noch wissen müsste, fehlten. Unter anderem das mit der Ziege die uns lange begleitete, die Kuh die uns den Weg versperrte, die abgebrochene Levadamauer, die Sache mit dem Ziegenkäse, die Wolken im Gebirge.
Lange sprechen wir darüber, nun macht Silvester die Notizen und wieder werde ich überredet es niederzuschreiben.
Dieses Mal aber nicht von Iris, jetzt sind es Constanca, Eva und Silvester die mich dazu anhalten.

Unsere Gäste sind längst wieder zu Hause auf Madeira, ihre letzten Urlaubstage bei uns verliefen noch sehr harmonisch so das Constanca sagte, ihr gefällt es in Deutschland , worauf Silvester ergänzte, hier könnte er auch leben.

So jetzt habe ich wieder mein Notizbuch vor mir und versuche Silvesters Notizen in einen leserlichen Text zu bringen.

Adeus:
Tiago

20.09.16 17:21
iris 

Administrator

Re: Madeirenser erinnern sich

Lieber Tiago, liebe Eva,
übermittelt Constanca und Silvester auch von uns die besten Wünsche für ihr zweites Leben
Und sage den beiden vielen Dank dafür, dass sie dich wieder an die Notizen gesetzt haben!
(Nicht nur) ich freue mich drauf
LG
Iris

23.09.16 15:27
Torwarttrainer 

Madeira-Riesenfingerhut

Re: Madeirenser erinnern sich

Silvesters Notizen

Teil 1

Marmelada ou Queijo de Cabra

Bom dia

Der Tag beginnt sehr vielversprechend, Wanderwetter, hier vor der Igreja de Santo Antonio steigt Silvester zu uns ins Auto ein.
Jose fährt uns in seinem Wagen bis Faja da Nogueira hinterher. Natürlich machen wir unterwegs in Poiso einen Halt, ist doch klar, denn wer kommt hier schon vorbei ohne in Casa de Abrigo do Poiso einzukehren? Ebenso natürlich verzichten wir jetzt, am frühen Tag und ich als Autofahrer, auf den ansonsten obligatorischen Poncha, vielleicht genehmigen wir uns einen auf der Rückfahrt. Für uma Bica e tres Chinesas nehmen wir uns aber Zeit.
Die Schotterstrecke hoch zum Kraftwerk verlangt von unserem Mietauto alles ab, nur schön langsam damit nichts kaputt geht. Nun hat das kleine Fahrzeug bis zur Rückfahrt Ruhe. Eva, Silvester und ich steigen zu Jose ins Auto der uns nach Pico das Pedras bringt um dann allein zurück nach Funchal, zur Manufaktur, seiner Arbeitsstelle zu fahren.
Gemütlich geht’s los, auf ebenen, breiten Waldwegen bis Queimadas und darüber hinaus.
Silvester warnt uns vor der schmalen Levadamauer die, oft ausgesetzt und ohne Sicherung, ab nun nahezu bis zur Madre zu gehen ist.

Anmerkung: die Beschreibungen der sehenswerten Abschnitte und Aussichten der Levadas erspare ich mir. Da ich davon ausgehe dass die meisten diese Wanderungen kennen, wer nicht bescheid weiß dem empfehle ich bei "Jardineira" und bei "Daniel" nachzuschlagen.

Es ist schon gewohnheitsbedürftig aber außerordentlich notwendig, während dem Gehen volle Konzentration auf die Stellung der Füße zu haben. Um die Aussicht zu genießen heißt es stehen bleiben, am Berg abstützen, noch besser einen Fuß auf die bergseitige Levadamauer stellen. Wenn auf der Talseite nur hin und wieder Gebüsche oder Bäume als einzige Sicherung stehen wird einem schon recht mulmig.

Meist geht Silvester voraus, er bereitet uns auf Brücken, Tunnels und Wasserfälle vor. Letztere hören wir bereits frühzeitig so dass wir uns gegebenenfalls mit einem Regenumhang abdecken können. Auch auf Vogelnester unter dem bergseitigen Grasbewuchs macht er uns aufmerksam. Über die Levadas, deren Bedeutung und Auswirkung auf Madeira weiß er einiges zu erklären.
Der Abzweig nach Caldeirao Verde ist nicht zu verfehlen. Hier am Wasserfall ist es natürlich vorbei mit der Ruhe, von weit oben rauscht es herab um sich klar und kalt im kleinen Teich zu präsentieren.
Allein mit der Natur, staunen wir zwei Mitteleuropäer wieder einmal über die unverbrauchte Schönheit dieser Insel.
Nach einem kurzen Verweilen fordert uns Silvester zum weitergehen auf, schließlich haben wir noch eine gewaltige Wanderstrecke vor uns.
Nun auf dem Weg zur Madre, bei schmaler und glitschiger Levadamauer fällt uns nichts mehr ein. Vorsichtig, abstützen, jeden Schritt mit Bedacht setzen, nur gut dass schon bald eine ebenfalls rutschige aber durchaus machbare Umgehung folgt. Wieder oben an der Levada angekommen kommt schon bald ein etwa drei Meter langes Stück Levadamauer die sogar Silvester schier verzagen lässt. Abgebrochen, nur noch ein schmaler, zackiger Grat, die Levada zur Hälfte unter einem Felsen, rechter Hand Steilhang abwärts, ein Hindernis das uns Einhalt gebietet. Der Schaden an der Mauer muss wohl von einem größeren Steinschlag verursacht worden sein.
Was tun? Zurückgehen ist am vernünftigsten, im Wasser der Levada watend unter dem Fels hindurch kriechen am unangenehmsten aber am gefährlichsten ist wohl das Weitergehen.
Zunächst abwägen dann der gemeinsame Entschluss.
Ich tausche mit Silvester die Führungsposition, warum auch immer. Seitliche Trippelschritte, nach vorn am Fels abstützen, nach hinten viel Luft. Hm, na ja.
Ankommen, kräftig durchatmen, weiterwandern.
Ein bodenloser Leichtsinn kommt zu einem guten Ende. Von unseren Gefühlen während dieses Abenteuers möchte ich hier nichts erwähnen, nur warnen will ich vor einer Nachahmung. Mut ist nicht immer der beste Lehrmeister.
Vorbei am arg mühsam aussehenden Aufstieg der uns nachher noch bevorsteht gehen wir die kurze Etappe, auf der selben Höhe, bis zur Madre weiter.
Hier ist unsere erste Rast mit Stärkung angesagt.
Jeder von uns Dreien trägt einen Rucksack, richtig muss ich sagen, trug einen Rucksack. Denn jetzt liegt er geöffnet an der Seite seines jeweiligen Trägers, nun zeigt es sich wer von uns welche Verpflegung, für die zwei vorgesehenen Vesperpausen, mitgebracht hat.
Silvester genießt sein Brot, bestrichen mit Butter und Quittenmarmelade. Auch etwas Obst hat er eingepackt. Den Zuckergehalt der Marmelade, so sagt er, benötigt sein Körper um den Energieverlust bei solchen langen Wanderungen auszugleichen.
Wo er Recht hat da hat er Recht.
In unseren Rucksäcken befindet sich, liebevoll von Frauenhand vorbereitet, eine vielseitigere Auswahl.
Auch wir haben Pao com Manteiga e Marmelada dabei aber eben auch Queijo de Cabra, Schokolade, Obst sowie leicht gesüßten Früchtetee.
Wie sich nun der Geruch des Ziegenkäses ausbreitet kann sich unser Wanderführer nicht zurückhalten, natürlich bekommt auch er von dem Käse ab, schließlich trage ich ja genügend davon durch die Gegend.
Nun behauptet Silvester, dabei verstaut er sein Marmeladenbrot wieder, dass Käse einen Beitrag zum Energiehaushalt der Muskulatur beiträgt.
Wo er Recht hat da hat er Recht.
Wer kennt nicht die Ermattung nach einer reichhaltigen Mahlzeit, um dieser aufkommenden Müdigkeit vorzubeugen brechen wir die Rast baldigst ab und begeben uns auf den Weiterweg.
Nein nicht weiter, zunächst müssen wir ein Stückchen zurück um uns dann den schon oben erwähnten Aufstieg anzusehen.
Herrjemine, da hoch?
Auch hier gehört Mut dazu, wenn auch Mut der etwas anderen Art.
O Caminho erweist sich als rutschiger, Geröll und Erde, mitunter eine eingehauene Stufe abwechselnd mit Steinen in unterschiedlicher Höhe auch Überhöhe, Grasbüschel an der Seite als Aufstiegshilfe, uns jede Menge Kraft raubender Pfad. Nur gut dass wir uns zuvor so großartig gestärkt haben.
Angekommen auf der oberen Etage, besteht die Möglichkeit die Wanderung in vier verschiedene Richtungen weiter zu gehen.
Für drei Wege haben wir uns schon in der Vorbesprechung entschieden. Den Vierten, den weiterhin aufwärtsführenden Fußpfad hoch zum Pico Ruivo lassen wir für heute buchstäblich links liegen.
Vielleicht ein anderes mal.

Madeira maravilhosa

Adeus:
Tiago

Ende Teil 1

Zuletzt bearbeitet am 15.10.16 19:45

23.09.16 16:19
iris 

Administrator

Re: Madeirenser erinnern sich

Lieber Tiago,
schön, dass dich das Schreibfieber wieder so ausführlich gepackt hat.
Wer deine Beschreibung liest und den Weg selbst kennt, weiß, dass sich die Ansprüche an die Tour (selbst bei diesem ersten Abschnitt) mittlerweile ziemlich gewandelt haben.
Heute gibt es mehr oder wenige stabile Geländer bzw. Seilsicherungen, die immerhin mental ihre Wirkung zeigen. Bei unserer ersten Begehung vor ca 20 Jahren gab es immerhin schon (an vielen Stellen) diese Sicherungen.
Aber den Aufstieg,zur nächsten Ebene kennen wir auch noch als recht unwegsam. Wobei mir dabei vor allem der Abstieg (wir sind nur zur Caldeirao do Inferno und zurück) als furchterregend in Erinnerung ist. Zum Teil bin ich damals auf dem Hosenboden runter..
Ich freue mich auf deine Fortsetzung

LG
iris

PS Du schreibst so selbstverständlich vom möglichen Weg auf den Ruivo. Dieser war also damals noch zu finden!? Wenn du mit deiner Erzählung fertig bist, wäre eine Info dazu toll!

23.09.16 19:11
Torwarttrainer 

Madeira-Riesenfingerhut

Re: Madeirenser erinnern sich

Boa tarde Iris,

schön dass Du Dich dieser Zustände von vor zwanzig Jahren noch erinnerst.
Könnten wir hiervon auch Näheres, Einzelheiten von Dir lesen?
Auf den Arsch setzte ich mich damals vor etwa 45 Jahren auch, allerdings beim aufwärtssteigen und weil sich die Muskulatur in den Oberschenkeln bemerkbar machte.
Einfügung: soeben liest Eva mit und bestätigt, auch sie setzte sich auf ihren Allerwertesten.

Dass ich auch einmal etwas Neues weiß freut mich.
Na gut.
Nur wenige Höhenmeter vor der "oberen Etage" ist eine kleine Fläche, ideal zum Verweilen, ab hier zweigt auf der linken Seite ein Pfad ab. Damals schon etwa kniehoch zugewachsen. Dennoch ist der Verlauf von unserer Position aus einigermaßen gut zu sehen. Er führt dann rasch aufwärts über den ersten Tunnel der Levada do Caldeirao Verde de Cima.
Nach Silvesters Auskunft führt esta Caminho hoch zum Pico Ruivo, gegangen sind wir diesen Weg auch in späteren Zeiten nicht.
Obwohl ich mehrfach an diesem Ort war habe ich auch nicht mehr nach diesem Aufstieg gesucht.

Madeira maravilhosa

Adeus:
Tiago

Zuletzt bearbeitet am 24.09.16 16:27

23.09.16 21:07
iris 

Administrator

Re: Madeirenser erinnern sich

Boa noite Tiago e Eva
Man erkennt den Kavalier der alten Schule spätestens daran, dass seine Gattin einen Allerwertesten hat und er selbst einen A....

Zu dieser Tour kann ich von damals nicht mehr viel erzählen, außer dass wir vor Begeisterung über die Inferno-Klamm so blind waren, dass wir den Durchgang zum nächsten großen Kessel nicht gesehen haben. Dies geschah erst bei einem spätern Besuch (und schon mit dem Wissen, damals etwas verpasst zu haben)
LG iris
PS. Wie schade, dass ihr den Weg in den folgejahren doch nicht verfolgt habt.
So ein paar Überlegungen und Teilerkundungen wurden ja im Forum schon mal von den üblichen Verdächtigen angestellt , aber so richtig weit kam keiner -
http://www.forum-madeira.eu/thread.php?b...9&thread=35

23.09.16 23:02
warmduscher 

Madeira-Strelitzie

Re: Madeirenser erinnern sich

Hallo,
hier der Track bei wikiloc vom Moria Tunnel hoch zum Pico Ruvio mit der schaurigen Beschreibung.
http://de.wikiloc.com/wikiloc/view.do?id=916705
Aber die Amigos sind auch irgendwann mal dort, sogar mit den Ohrenklappen zusammen, hochgekrabbelt.??
Iris: "aber so richtig weit kam keiner".
Den "Weg" dort hoch hat ja auch noch keiner von uns versucht.
Gruß warmduscher

Zuletzt bearbeitet am 24.09.16 12:10

23.09.16 23:57
Velvet

nicht registriert

Re: Madeirenser erinnern sich

iris:
Aber falls diese Diskussion weitergeht, sollten wir besser zur passenden Wandersikussion umziehen und Tiago hier weiter erzählen lassen.
LG iris
Wäre jedenfalls nicht verkehrt.

Gruß
Velvet

30.09.16 12:01
Torwarttrainer 

Madeira-Riesenfingerhut

Re: Madeirenser erinnern sich

Silvesters Notizen

Teil 2

nao ha Ponte
apenas um Olho de Boi

Bom dia

Nach Silvesters Auskunft ward die Levada nach links erst vor kurzem fertiggestellt und obwohl er diese noch nicht gegangen ist, behauptet er sie sei überschaubar und ohne viel Mühe zu gehen.
Na gut, was ist aus seiner Sicht wohl einfach?

Nun führt uns der Pfad entlang der Levada do Caldeirao Verde da Cima ostwärts, gleich durch ein Tunnel zu einer schmalen Schlucht.
Diese Einkerbung im Gebirge ist so klein, dass sie mit einer Brücke leicht zu überspannen wäre.
Nur wo ist die Brücke?
Nao ha Ponte.
Was tun die findigen Levadeiros? Sie bauen sich als Übergangslösung eine Leiter, beziehungsweise zwei Leitern. Denn runterkommen auf den etwa 3 Meter tieferen Hang ist das Eine und auf der gegenüberliegenden Seite hoch das Andere.
Die beiden Leitern sehen gerade nicht vertrauenserweckend aus. Roh, aus Baumheide zusammengenagelte Gerüste, auch etwas zu kurz geraten, lehnen sie an dem dies- und am jenseitigen Abhang.
Und wieder beraten wir.
Und wieder gehe ich voraus, warum auch immer.
Am Ende der oberen Levada do Caldeirao Verde stehen uns zwar Treppen und eine kleine Kraxelei bevor, doch lohnt sich der insgesamt kurze Abstecher schon allein wegen dem spektakulären Blick auf Caldeirao Verde hinunter.

Was der nun folgende Abschnitt unseres Tagespensums präsentiert, ist wohl vielen Madeiraurlaubern aus eigener Erfahrung bekannt.
Überwältigend was a Levada do Caldeirao do Inferno zu bieten hat.

Schon während der Wanderung entgegen der Fließrichtung versagt Silvesters Taschenlampe ihren Dienst.
In seinem Rucksack, so sagt er uns, hat er neue Batterien, die wird er einsetzen sobald wir an der Brücke sind.
Durch eines der Fenster im Tunnel können wir die angesagte Brücke über a Ribeira Grande schon sehen.
Die wenigen Meter bis dahin kommen wir auch mit den zwei verbliebenen Lampen aus.
Eine Schramme am Kopf habe ich auch schon. Ist denn eine Körpergröße über 180 cm ungeeignet für Wanderungen auf Madeira?
Aber atemberaubend, einmalig schön ist es hier allemal.

Ponte? Das soll eine Brücke sein?
Zwei Baumstämme, mehrere Bretter, von Spritzwasser nass und viel Luft dazwischen. Da wollen wir hinüber.
Und wieder gehe ich voraus, warum auch immer.

Abgeschiedenheit, Einsamkeit, Stille. Hier oben im großen Kessel, am grünen Teich ist die Natur rein, unverbraucht, wie so vieles auf Madeira.
Hier machen wir unsere zweite Vesperpause.
Nun genießen wir auch das Marmeladenbrot, Käse und Obst. Zur Abrundung, nach ausreichender Erholung, verteilt Eva noch die Tafel Schokolade, etwas weich zwar aber dennoch fein. Unsere Rucksäcke sind nun leer. Auch der Tee ist schon getrunken. An trinkbarem Wasser fehlt es aber bei unseren Levadawanderungen nicht. Deshalb füllen wir unsere Trinkflaschen auch nicht gänzlich auf.
Erst jetzt wechselt Silvester die Batterien. Warum leuchtet o Olho de Boi nicht? Die Kontakte säubern, Batterien erneut einsetzen, nada. Es wird wohl die Glühbirne sein.
Silvester sucht sich einen Stock, den braucht er jetzt, wie er sagt, als Ersatz für seine ausgefallene Lampe.
Einen Stecken als Lampenersatz benutzen, wie soll das gehen?

Auf Evas Frage welche Schwierigkeiten, welchen Weg wir noch vor uns haben, gibt Silvester uns folgende Auskunft:
Na ja, es geht natürlich zunächst zurück bis zum Eingang do Tunel do Pico Ruivo, das zwar lang und dunkel aber dank eines breiten Weges entlang der Levada und ausreichenden Höhe einfach zu bewältigen ist. Am Südostausgang stoßen wir auf eine Erdpiste die als Zulieferweg für die diversen Baumaßnahmen auf dieser Höhe genutzt wird. Nach eins zwei weiteren kurzen Tunnels verlassen wir a Pista aber schon bald wieder um über Veredas bis hinunter nach Faja da Nogueira an unser Auto zu kommen.
Er meint noch, dies wäre zum Auslaufen für heute die richtige Strecke und ohne Mühe zu gehen.

Nun mahnt er erneut zum Aufbruch. Wir sind zwar noch gut in der Zeit, so sagt er, aber mit jetzt nur noch zwei Taschenlampen wird es auch nicht mehr ganz so flott durch die dunklen Tunnels gehen wie zuvor.
Wo er Recht hat da hat er Recht.

Auf dem Rückweg im Tunneleingang gleich nach der "Brücke", an der Stelle führen wenige Stufen nach unten, komme ich ins Straucheln. Kann mich aber geschickt mit dem rechten Arm an der Levadamauer abfangen, so dass mir außer nassen Knien kein weiterer Schaden entsteht.
Mir nicht.
Aber Herrjemine meine Taschenlampe. Die halte ich fest in der rechten Hand und die hängt im Wasser der Levada.
Schnelles Hochnehmen nützt nichts, was hin ist ist hinüber.

Also nur noch eine Leuchte. Und was für eine Funzel. Die Liederlichste ist uns ab jetzt die Wertvollste.
Mit leichter Häme bietet Eva uns ihr Licht im Dunkeln an.

Autsch, noch eine Schramme am Kopf. Mir reicht es jetzt für eine Weile.

Madeira maravilhosa

Adeus:
Tiago

Ende Teil 2

07.10.16 10:12
Torwarttrainer 

Madeira-Riesenfingerhut

Re: Madeirenser erinnern sich

Silvesters Notizen

Teil 3

ideale Körperhaltung
Jodler ganz im Südwesten Europas
uma Poncha

Bom dia

Noch im Galerietunnel merken wir recht deutlich dass mit der einzig verbliebenen Taschenlampe kein planmäßiges Weiterkommen möglich ist.
Aber haben wir eine andere Wahl?
Schon im nächsten Tunnel sehen wir den Unterschied recht deutlich.
Zwei Lichter, hell wie Sonnen, kommen auf uns zu.
Ein junges Paar, beide Franzosen und beide mit einer Karbidlampe ausgestattet erzählen uns von ihren Wanderungen auf Madeira.
Na ja mit unserer Verständigung ist es nicht weit her, von vielem ein bisschen, Informationen austauschen, kurz fassen, am Ende weiß jeder etwas.
Nur soviel über die Wanderer, sie übernachten in ihrem Zelt, in eine Ortschaft gehen sie nur um das Notwendigste einzukaufen und haben so schon ihre fünfte Nacht auf Madeira, heute im Caldeirao do Inferno, vor sich. Wie es danach für sie weitergehen soll wissen sie noch nicht genau, auf jeden Fall aber in Richtung Westen. Eines ist aber sicher Batterien und Glühbirnen stehen nicht auf ihrem Einkaufszettel.

Vor uns o Tunel Pico Ruivo.
Silvester gibt mir den Stock, für sich hat er einen Zweig, eher eine Gerte, von einem überhängendem Busch abgeschnitten. Stecken und Ast sollen uns im Dunkeln am Rand der Levada entlangführen.
Und wieder gehe ich voraus.
Eva wird in der Mitte gehen und für uns Drei das Licht sein.
Hinein in die Dunkelheit, ins Nichts.
Mit der rechten Hand fest den Stock an die Innenseite der Levada gepresst, dabei auf dessen Schrägstellung achten, so dass mein Seitenabstand zum Wasser immer gewahrt bleibt, bei leicht gebückter Gangart, wenn möglich die linke Hand über dem Kopf, wie der Federschmuck der Wiedehopfe, an der Tunneldecke streifend genau so sollte meine ideale Körperhaltung für die nächsten 2,5 km sein.
Sollte sein. Ist das überhaupt durchzuhalten?
Niemand, auch Silvester nicht, gab uns zuvor Hinweise über die im Tunnel verlegten Schwellen und Schienen und die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten.
Dieses Gewirr aus Stahl macht uns, abgesehen von der Dunkelheit, die größten Probleme. Das ist ein Vorwärtstasten und stetiges Anstoßen, wobei Eva mit ihrem Lichtlein das sie meist nach vorn zu mir auf den Boden richtet eine Hilfe, wenn auch kleine Hilfe, ist.
Soll ich die Augen geöffnet lassen oder sie schließen? Was verbessert unsere Situation? Angestrengt denke ich über vielerlei nach.
Schon bekomme ich Schmerzen im linken Arm, muss ihn herunter nehmen, ausschütteln und Autsch, mein Kopf. Von wegen dieser Tunnel hat eine ausreichende Höhe. Stehen bleiben, verweilen, die Wunde notdürftig behandeln auch etwas trinken und weiter geht’s.
Nun aber führt Silvester mit seiner Gerte uns Wanderer an und ich stolpere hinter Eva her.
Hat mir die Konzentration auf die ungewohnte Situation das Hörvermögen blockiert? Das Rauschen muss doch schon länger Zeit, stetig in der Lautstärke ansteigend, zu hören gewesen sein. Ein Wasserfall über dem Tunnel wie uns Silvester sagt, nur gut dass nicht allzu viel Nässe von der Decke tropft. Wir verzichten gerne auf eine Kaltwasserdusche hier in der Finsternis.
Wie ist es eigentlich mit meinen Augen? Sehe ich noch klar? Bleibt doch bitte einen Moment stehen rufe ich den anderen zu. Eva mach bitte das Licht aus! Was ist da vor uns? Oh ja, etwas hat sich verändert. Auch Silvester scheint erleichter zu sein. Ist das das Tageslicht, das Tunnelende?
Nun wächst auch wieder unser Mut, Eva gibt einen Jodler von sich, vorwärts geht’s.
Aber der helle Fleck da in weiter Ferne verändert sich nicht. Wird nicht größer und nicht heller. Was ist das? Schon sinkt unsere Euphorie wieder etwas.
Silvester tut nun das einzig Richtige, er mahnt uns Geduld zu bewahren und geht weiter. Tatsächlich allmählich kommt das Licht auf uns zu, verändert sich in seiner Größe und Helligkeit bis dass der Tunnelmund deutlich zu erkennen ist. Jetzt spüren wir auch die frische, einströmende Luft, oh tut das gut.
Nur noch wenige Meter dann geschafft, wirklich geschafft.

Auch heute ist so ein sonniger Tag.
Constanca und Eva haben es sich im Schatten des Feigenbaumes, am Ende unseres Grundstücks, gemütlich gemacht. Reden sie über die beiden letzten gemeinsamen Tage hier bei uns oder sind sie eingeschlafen? Auf ihrem Beistelltisch stehen längst abgekühlte Apfelpfannkuchen, die schmecken auch kalt sehr herzhaft. Auch drei reife Feigen, heute morgen geerntet, liegen auf dem Teller und die Südeuropäer sind überrascht was hier bei uns so alles ausreift. Beide, Constanca e Silvester, haben sich von meiner Hausfrau mit Mehlspeisen verwöhnen lassen. Ob Spätzle, ob Maultasche oder Kartoffelsuppe mit Dampfnudel, ob Apfelstrudel oder Apfelpfannkuchen alles, ja wirklich alles was hausgemacht ist, insbesondere Schupfnudel wollen sie wiederholt essen. Damit ist auch ein anfängliches Kopfzerbrechen von Eva "was soll ich arme Hausfrau denn nur kochen?" ausgeräumt. Von gegrilltem Fleisch oder Fisch, mit Ausnahme der Forelle, wollen unsere Gäste während ihres Aufenthalts bei uns nichts wissen.
In ihrer Jugend, so erzählt uns Constanca, war Farinha de Trigo für Madeirenser schier unerschwinglich. Die Alliierten brachten das Weizenmehl nach dem zweiten Weltkrieg mit großen Schiffen auf die Insel wo es dann gerecht an Bedürftige verteilt werden sollte.
Pao essen beide aber nur das dunkle Roggen- oder Vollkornbrot aber auch Hefezopf und Streuselkuchen mögen sie. Natürlich viel frisches, badisches Gemüse und Salate dazu. Auch etwas Schweinefleisch aber nur aus der Pfanne oder dem Bräter. Dazu mögen sie aber jede menge Soße und sie können nicht verstehen wieso ich mein Essen meio seco genieße.

Wir Männer sitzen auf der Terrasse. Beide mit einem Gläschen heimischem 2015er Riesling trocken, mmh tut die ausgeprägte Säure gut und holen erneut das gemeinsam Erlebte in unsere Erinnerung zurück.
Weißt du noch dass dieses Franzosenpärchen zusammen mit den dois Jardineiros em Queimadas die beiden einzigen Begegnungen auf dieser ganztägigen Wanderung waren? Oh ja, die nächsten Personen trafen wir erst wieder in Poiso.
War das eine Erleichterung als wir damals aus dem Tunnel heraus traten und damit wieder auf dieser Seite der Welt ankamen. Nach mehr als 90 Minuten empfing uns, obwohl schon später Nachmittag war, helles gleisendes Licht. Ausgelassen umarmten und beklatschten wir uns und wieder jodelte Eva.
Standen da auf der rechten Seite nach dem Tunnelausgang eine oder zwei Loren? Wie lange brauchen wir noch bis zum Auto? Hungrig waren wir auch. Wo gehen wir etwas essen? Wie geben wir dem Autoschlosser Bescheid dass wir ihm sein Mietauto heute etwas später zurückbringen? Blutet deine Kopfwunde noch?
Einige der Fragen von damals fallen uns heute wieder ein.

Poiso
Eva, die gerne bei unseren Rückfahrten am Lenkrad sitzt, steuert das Haus auf der Passhöhe an.
Espetada com Bolo do Caco e Salada, Vinho de Mesa e Agua com Gas so geben wir unsere Bestellungen auf.
Gesättigt aber auch müde stehen wir von unseren Stühlen auf, nochmal zur Toilette gehen und dann ab zum Auto.
Oder fehlt da noch etwas? Oh ja, es fehlt tatsächlich noch etwas.
Für Eva, die uns so freundlich mit ihrer Taschenlampe ausgeholfen hat, gibt es uma Bica.
Silvester und ich genehmigen uns uma Poncha. Selbstverständlich für jeden einen, mmh lecker und natürlich frisch zubereitet, fein, könnte man/Mann sich schier daran gewöhnen.

Madeira maravilhosa

Adeus:
Tiago

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